Primäre kosmologische Mission von DESI ist, die der Dunklen Energie zu Grunde liegende Physik zu untersuchen: Wie entwickelt sich ihre Energiedichte im Laufe der Zeit und wie beeinflusst sie das Verklumpen von Materie? Dementsprechend werden die von DESI erstellten Karten genutzt, um zwei kosmologische Effekte zu messen: Baryonische Akustische Oszillationen (BAO) und Verzerrungen im Rotverschiebungsraum (RSD, aus engl. redshift-space distortions, siehe Erklärung weiter unten). Außerdem ermöglichen es jene Karten, die Kosmologie und Physik von Galaxien, Quasaren und intergalaktischem Gas zu untersuchen
Baryonischen Akustischen Oszillationen
DESI ermöglicht die Messung eines subtilen Signals, das sich wie ein “Fingerabdruck” in den Galaxienkarten niederschlägt. Dieses Signal ist das Überbleibsel der sogenannten Baryonischen Akustischen Oszillationen, einem wichtigen physikalischen Prozess, der im frühen Universum stattfand. Um diesen Effekt zu erklären, widmen wir uns zunächst der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung. Hierbei handelt es sich um die vom Urknall übrig gebliebenen Wärmestrahlung, die das gesamte Universum ausfüllt.
Die Temperatur dieser Strahlung liegt gegenwärtig bei nur 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt—im drastischen Gegensatz zur enormen Hitze im frühen Universum: Etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall war das Universum über eine Milliarde Mal dichter als heute. Damit war die Hintergrundstrahlung heiß genug, um sowohl Wasserstoff als auch Helium zu ionisieren, also die Elektronen von den Atomkernen zu trennen und somit ein Plasma zu bilden. Die Elektronen stießen ständig mit den Photonen der Hintergrundstrahlung zusammen. Dabei übten die Photonen einen intensiven Strahlungsdruck aus und verhinderten so die Kompression des Plasmas. Die in den ersten Sekundenbruchteilen des Universums entstandenen Dichtefluktuationen breiteten sich im Plasma wie Schallwellen aus, weswegen sie auch als “akustische” Wellen bezeichnet werden.
Die Schallwellen breiteten sich etwa 400.000 Jahre lang im Raum aus und kamen zum Stillstand, als sich das Universum so weit ausgedehnt und abgekühlt hatte, dass die Elektronen und Kerne sich verbinden und neutrale Atome formen konnten. Ab diesem Zeitpunkt begannen die aus den Dichtefluktuationen hervorgehenden Gravitationskräfte zu dominieren und das Universum zu der netzartigen Struktur zu formen, die wir heute sehen. Eine Spur der Schallwellen kann jedoch immer noch gemessen werden: Um jede überdichte Region herum gibt es einen leichten kugelförmigen Abdruck der Welle, die aus ebendieser Region hervorgegangen ist. Betrachtet man die Distanz zwischen Paaren der kartografierten Galaxien, lässt sich feststellen, dass diese -im Mittel- der Entfernung entsprechen, die die Schallwellen im Plasma des frühen Universums zurückgelegt haben. Sie entspricht aufgrund der Expansion des Universums gegenwärtig etwa 500 Millionen Lichtjahren. Dieser dezente “Fingerabdruck” des frühen Universums wurde bereits in mehreren Datensätzen der Galaxienverteilung beobachtet, insbesondere im Baryon Oscillation Spectroscopic Survey (BOSS) im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS). Diese nur mit präzisen Daten messbare Korrelation in der Verteilung der Galaxien ist eine der wichtigsten Beobachtungen für die Untersuchung der Dunklen Energie.
Wenn wir Galaxien bei hohen Rotverschiebungen beobachten und deren charakteristische Verklumpungsskala messen, dann wissen wir, dass es sich bei dieser Skala um ebenjene 500 Millionen Lichtjahre handelt. Anhand dieses Wissens, können wir die tatsächliche Entfernung zu den Galaxien bestimmen. Es ist so, als würde uns die Galaxienstudie eine Karte ohne die zugehörige Einheitenumrechnung wie etwa von Kilometern zu Meilen liefern. Durch die sorgfältigen Untersuchung der Distanzen zwischen Paaren von Galaxien sind wir in der Lage den korrekten Skalenfaktor zu bestimmen.
Verzerrungen im Rotverschiebungsraum
Wenn DESI die Rotverschiebungen von Galaxien misst, dann enthält diese Messung in Wirklichkeit zwei Komponenten: Der Hauptanteil der Rotverschiebung kommt durch die Ausdehnung des Universums zustande, und eine kleinere Abweichung von diesen Rotverschiebungen entsteht durch die Eigenbewegung der jeweiligen Galaxien, auch bekannt als Pekuliargeschwindigkeit. Deren Ursache ist die Gravitationskraft, die auf die jeweilige Galaxie von ihrer Umgebung ausgeübt wird. Indem sie den Betrag dieser Pekuliargeschwindigkeit messen, können Physiker Rückschlüsse über die Menge an Materie innerhalb des Universums ziehen.
Falls der Materie-Inhalt mithilfe anderer Methoden bereits bekannt ist, können wir stattdessen herausfinden, ob die Gravitationsanziehung auf Skalen von Hunderten von Millionen Lichtjahren genauso wirkt, wie von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt. Die Überprüfung des Anwendungsbereiches der Allgemeinen Relativitätstheorie auf so großen Skalen ist fundamental wichtig, da sie Hinweise auf alternative Erklärungen für die beschleunigte Ausdehnung des Universums liefern kann. Jene sind unter anderem als Theorien der modifizierten Gravitation bekannt. Tatsächlich weiß man bereits jetzt, dass sich die Expansionsrate des Universums auf sehr großen Skalen ganz anders entwickelt, als es die physikalischen Gesetze, die auf den Skalen unseres Sonnensystems so erfolgreich bestätigt wurden, vorhersagen. Vielleicht gibt es neben dieser Diskrepanz noch weitere Signale in der großräumigen Struktur des Universums, die auf exotischere kosmologische Modelle hindeuten.
Die Höhe der Pekuliargeschwindigkeiten kann mithilfe der DESI Karten gemessen werden, indem der Grad an Verklumpung der Galaxien auf großen Skalen entlang und senkrecht der Sichtlinie miteinander verglichen werden. A priori erwartet man, dass der Grad an Verklumpung unabhängig von der Richtung, also überall gleich, ist. Der Umstand, dass die von der Verklumpung hervorgerufene beschleunigte Eigenbewegung der Galaxien wie eine Positionsveränderung entlang der Sichtlinie erscheint, führt zu systematischen Anisotropien, die auch (etwas sperrig) “Verzerrungen im Rotverschiebungsraum” genannt werden. Eine detaillierte Analyse der DESI-Karten kann diese Signale mit sehr hoher Genauigkeit enthüllen.
DESI und die Dunkle Energie
Das Rätsel um die Dunkle Energie und die anhaltende Faszination um Kosmologie geben Anreize für eine große Bandbreite an kosmologischen Experimenten. DESI ist eines der ambitioniertesten Experimente, das sich zurzeit in Entwicklung befindet. Nach seinem Beginn wird es schnell den größten Galaxien-Datensatz der Welt liefern. Die präzisen 3D Karten von DESI allein werden bereits von großem Wert sein, aber in Kombination mit Datensätzen zukünftiger detaillierter Bilder im Optischen, Infraroten, Mikrowellen und Röntgen Bereich werden sie ihr volles Potenzial entfalten. Eines der Kennzeichen moderner Kosmologie ist die Möglichkeit die Eigenschaften des Kosmos auf verschiedenste Arten und Weisen zu vermessen. In diesem Sinne kann das Abgleichen der unterschiedlichen Ergebnisse das Vertrauen in die so gewonnenen Antworten auf die drängendsten Fragen verstärken und gleichzeitig den Weg für neue Ideen ebnen. Wir freuen uns auf die prominente Rolle, die die DESI Kollaboration für die Weiterentwicklung der Kosmologie innerhalb des nächsten Jahrzehnts spielen wird, insbesondere hinsichtlich des Themas Dunkle Energie.
Über Dunkle Energie hinaus
Die DESI Karten werden sich auch für viele Anwendungen über baryonische akustische Oszillationen und und Rotverschiebungs-Verzerrungen hinaus als nützlich erweisen. Wir erwarten, dass unsere Messungen der Fluktuationsamplituden der Galaxienverteilung im mittleren Rotverschiebungsbereich einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung der Neutrino Massen liefern können. Unsere Messungen auf größten Längenskalen können enthüllen, ob die anfänglichen Dichteschwankungen des sehr frühen Universums dem einfachsten Modell folgen, oder ob sie in Anbetracht der enormen Energieskalen während der ersten Sekunden des Universums einem ganz anderen Verhalten unterliegen. Unsere genauen Messungen der Galaxienverklumpung stellen unser Wissen über die gravitationelle Anziehungskraft auf die Probe und erlauben die Erkundung einer Vielzahl an Erweiterungen des kosmologischen Standardmodells. Über den kosmologischen Aspekt hinaus, können die hochpräzisen Entfernungsmessungen der Galaxien und Quasare von DESI dazu genutzt werden, die Eigenschaften eben dieser Objekte besser zu verstehen. DESI wird die genaueste jemals erstellte Karte des nahen Universums bereitstellen, welche die Basis für das Studium einzelner Galaxiengruppen, Cluster und auch der extremen Phänomene, die in diesen Systemen stattfinden, legen wird. Darüber hinaus wird DESI eine sehr große Anzahl von Sternen spektroskopieren, und damit Aufschluss über die Dynamik der Milchstraße sowohl im Halo als auch in der inneren Scheibe bringen.